Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe

31. Mai 2017, Bonner General-Anzeiger

Schätze aus der Vergangenheit

Das Rheinische Archiv für Künstlernachlässe wurde vor zehn Jahren in Bonn gegründet

VON THOMAS KLIEMANN
Das Archiv ist ein Raumschiff, das gelandet ist, und bevor es wieder abhebt, besteht die Möglichkeit, es aus eigenem Vermögen zu begehen, aus eigener Anschauung zu betrachten und von den Erlebnissen zu berichten." Wer diese Vision ersonnen hat, weiß, von was er spricht: Boris Schafgans, Dokumentarist und Filmemacher, Spross der Bonner Fotografendynastie, hat ein ganz enges Verhältnis zum Schafgans-Archiv, zu Quellen, die sich im Fluss der jeweiligen Interpretation befinden. Von einer „Erinnerungskultur" hält Schafgans nichts, ihn interessiert „die Geschichte hinter der Fassade". Seine Gedanken zum „Leben und Überleben von Fotos in Archiven", so der Titel einer Tagung in Wuppertal, hat Schafgans in der aktuellen Publikation des Rheinischen Archivs für Künstlernachlässe (RAK) veröffentlicht, die einen Schwerpunkt auf die Fotografie legt.

Ein wahres Netzwerk wird sichtbar: mit Sammlern wie die mit ihren Schätzen aus dem Rheinland nach München ausgewanderten Ann und Jürgen Wilde, mit Klaus Honnefs und Gregor Betz' Gesellschaft Foto Archiv e. V. in Bonn und dem Archiv der Fotografen in der Deutschen Fotothek. Sie alle verbindet die Sorge um den Erhalt von Dokumenten.

Bauhausausweis von Eugen Batz
Bauhausausweis von Eugen Batz, 1930.
Nach seinem Studium am Bauhaus in Dessau
folgte er 1931 Paul Klee nach Düsseldorf

Daniel Schütz, der vor zehn Jahren in Bonn das RAK gründete und in erster Linie Archivalien wie Briefe, Postkarten, Tagebücher, Manuskripte, Fotos, Skizzen, Ausstellungskataloge und dergleichen Archivalien mehr sammelt, weiß um die Gefahren, wenn nach dem Tod des Künstlers zum Beispiel schriftliche Notizen zum Werk verschwinden, wenn von den Nachfahren als wertlos empfundene Dokumentationsfotos vernichtet werden. Naturkatastrophen und Kriege, auch mancher Erbe löschen so die Erinnerung an Kunst und Künstler. Schütz berichtet von dem Fall des Kölner Malers Barthel Gilles (1891-1977), ein Vertreter der Neuen Sachlichkeit, dessen Stellenwert in den 1980er Jahren allein aufgrund von Dokumentationsfotos von im Krieg zerstörten Werke erfasst werden konnte. Die Fotos fanden sich im Rheinischen Bildarchiv. Eine Freundin von Gilles, Käthe Schmitz-Imhoff, sei sich, so Schütz, "der Konsequenzen eines Totalverlustes" bewusst gewesen. Sie sorgte für die Fotodokumentation und dafür, dass die Abzüge bei Fliegerangriffen immer zur Mitnahme bereitlagen.

Die „Tragödie des Totalverlustes" könne, so Schütz, viele Ursachen haben. In der Zeitschrift „annoRAK 5" zählt der Archivgründer etliche Fälle auf. Gilles' Nachlass ist übrigens einer von mittlerweile hundert, die das RAK beherbergt. Die Liste startet mit dem Bildhauer Carl van Ackeren und, dem Architekten Karl Ackermann, umfasst Meister wie Victor Bonato, Ernst Moritz Engert und Herbert Falken, der eine Grafiker, der andere Maler. Der 2009 gestorbene Bonner Maler Horst Rave, sein Bildhauerkollege Günter Ferdinand Ris (2005 gestorben) und der im Jahr 2000 gestorbene Wahlbonner Douglas Swan sind ebenso im RAK mit ihren Nachlässen vertreten. Der Maler Manfred Weil und schließlich sein Kollege Gerhard Wind schließen die eindrucksvolle Liste. Die Schätze lagern in den Magazinen des Bonner Stadtarchivs.

Doch die Arbeit des RAK beschränkt sich nicht auf des Sammeln und die Pflege von Künstlernachlässen. 2016 veranstaltete das RAK in der Bundeskunsthalle ein internationales Symposion unter dem Titel „European Heritage Künstlernachlässe als Kulturgut" mit Gästen aus Europa, den USA und Kanada. Im Fokus der Tagung stand die Frage nach einer länderspezifischen Erinnerungskultur und ihren Umgang mit Künstlernachlässen.

Atelierfoto Marx
In Pose: Der Maler Karl Marx (1929-2008)
in seinem Atelier.

Gegenwärtig bereitet sich das RAK auf das Hundertjährige der Künstlergruppe „Das Junge Rheinland" im Jahr 2019 vor. Rund 20 Nachlässe, laut Schütz 25 bis 30 Regalmeter Dokumente, sollen bis dahin ausgewertet sein. Seit zwei Jahren laufe das Projekt, erzählt der Archivchef, die Recherchen reichen bis in US-Archive. Mit dem Nachlass des Bonner Malers Leo Breuer hat sich das RAK gerade einen prominenten Zugang gesichert. Spektakulär auch die Zeichnung August Mackes aus dem Nachlass des Kunsthistorikers Kurt Friedrich Ertel: Das Blatt von 1913 belegt, dass Macke der Erfinder des Begriffs „Rheinische Expressionisten" war. Bei der Eröffnung des neuen Macke Museums im Herbst ist das RAK auch dabei: Schütz hat der Dauerausstellung ein Porträt des Schriftstellers Wilhelm Schmidtbonn von der Hand Gabriele Münters zur Verfügung gestellt. Im Jubiläumsjahr hat sich das aus Dieter Ronte, ehemaliger Direktor des Kunstmuseums Bonn, und Hans M. Schmidt, ehemaliger Sammlungsdirektor des Rheinischen Landesmuseums in Bonn, bestehende Kuratorium erweitert: Neu dabei sind Suse Wiegand, Düsseldorfer Künstlerin mit Professur an der FH Bielefeld, und der Fotokünstler Jürgen Klauke, ehemaliger Professor an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Das RAK wolle damit die Künstlerinteressen in der Archivarbeit stärker gewichten, sagt Schütz.

Stiftung Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe (RAK),
www.rak-bonn.de. Die aktuelle Publikation „annoRAK5"kann über die Homepage bezogen werden (15 Euro)

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